„Am 23. Mai 1949 erhielt unsere Demokratie mit dem Grundgesetz ihr Fundament. Der Kern ist in seinem ersten Satz enthalten: 'Die Würde des Menschen ist unantastbar.' Er bezeugt unser uneingeschränktes Bekenntnis zu den Menschenrechten und ist Ausdruck der Lehren, die wir aus dem Scheitern der Weimarer Republik und den Verbrechen des Dritten Reiches gezogen haben. Er drückt unseren unbedingten Willen aus, gemeinsam mit unseren Nachbarn in Frieden und Freiheit zu leben. Das Grundgesetz ist heute – genauso wie vor 70 Jahren – unser Kompass in einer sich ständig verändernden Welt. Den Müttern und Vätern der Verfassung ist ein Werk gelungen, auf das wir auch heute noch zu Recht stolz sein können und das auch andere Staaten neidlos als Erfolgsmodell anerkennen.“
Volker Bouffier - Ministerpräsident des Landes Hessen
"Die Würde des Menschen ist unantastbar". Der unveränderbare Artikel 1 unseres
Grundgesetzes sagt alles und alles Spätere baut darauf auf. Er ist der Nukleus. Von ihm habe
ich als junger Mann erstmals gehört, als ich – natürlich illegal - RIAS Berlin gehört habe: Im
fernen Forst kurz vor der polnischen Grenzen. (West-)Berlin war für uns himmelreiche weit
weg. Und dieser Artikel wurde jeden Tag genannt. Mit dem Läuten der Freiheitsglocken.
Mir war bewusst, dass die im Grundgesetz festgeschriebene Idee von einem Miteinander, das
auf menschenwürdigen, sozialen und rechtsstaatlichen Grundsätzen aufbaut, genau meinen
jugendlichen Vorstellungen von Menschlichkeit und Gerechtigkeit entsprach. Der Funke, der
damals übersprang, war auch mitentscheidend für mein späteres politisches Engagement.
Ich haderte zwar mit Unfreiheit und Unterdrückung in der DDR. Trotzdem hat mich die
Erfahrung des Miteinanders stark geprägt. Dieses Miteinander hat auch geholfen gegen die
Widrigkeiten von Mangelwirtschaft und Obrigkeit. Deshalb steht Gemeinsinn für mich ganz
weit oben. Auch dabei ist Grundgesetz Basis und Richtschnur. Der Imperativ aus Artikel 14,
die Sozialbindung des Eigentums, ist grundlegend, um gesellschaftliche Dauerkonflikte wie
die zwischen Mietern und Eigentümern oder die Mitbestimmung in Betrieben einzuhegen.
Schutz von Eigentum, aber Verantwortung gegenüber dem Allgemeinwohl - diese Balance
muss gewährleistet sein, um den sozialen Frieden zu wahren. Der Ausgleich zwischen Stark
und Schwach ist lebenswichtig für eine funktionierende Demokratie.
Auch die Verankerung des föderalen, bundesstaatlichen Prinzips als Gegenentwurf zum
totalitären, zentralisierten Staat des Nationalsozialismus entspringt diesem zentralen Anliegen
unserer Verfassung. Es geht um den vernünftigen Ausgleich der Interessen. Die klugen
Verfasserinnen und Verfasser des Grundgesetzes haben uns Ländern dafür ein starkes
Gerüst bereitgestellt.
Das sind für mich zentrale Punkte unseres Grundgesetzes und damit für unser
Zusammenleben. Das schließt nicht aus, dass wir noch anderem kräftig arbeiten könnten.
Soziale Gerechtigkeit steht dabei für mich ganz oben. Ebenso wie eine klare Haltung, dieses
Grundgesetz mit klarer Stimme stets zu verteidigen. Ganz besonders gegen die lauten
Stimmen der Rechtspopulisten. Das sind wir uns selbst, uns Kindern und ganz besonders den
Müttern und Vätern des Grundgesetzes von 1949 schuldig.
Dietmar Woidke - Ministerpräsident des Landes Brandenburg
Für mich bedeutet das Grundgesetzt, Freiheit, Rechtstaat, Menschenrechte. Aber es gibt durchaus weitere interessante Artikel, außer den mächtigen ersten 19 Artikeln unserer Verfassung.
Für Bürgermeister, Kommunalpolitiker aber auch für die Menschen, die ja alle in Städten und Gemeinden leben, ist Artikel 28 nicht zu unterschätzen. Er regelt die kommunale Selbstverwaltung und weist den Gemeinden eine hohe Eigenständigkeit und Eigenverantwortung zu.
... In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muss das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. ...
… Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. … Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung.
Es zählt das Subsidiaritätsprinzip. Das bedeutet der Staat ist kein Selbstzweck, er darf nicht Aufgaben an sich ziehen, die von Gemeinden selbst genauso gut oder besser erledigt werden können. Maßnahmen, die eine Gemeinde betreffen und von ihr eigenständig bewältigt werden können, sollen auch in der Gemeinde beschlossen werden. Die übergeordneten Organisationen, Bund und Länder haben eine Einstands- und Unterstützungspflicht.
Dieses in unserer Verfassung verankerte Prinzip starker Kommunen hat unser Land stark und handlungsfähig gemacht und ist gelebte Demokratie vor Ort, bei den Menschen - für die Menschen – mit den Menschen.
Egon Betz - Bürgermeister der Gemeinde Nehren
Für mich bedeutet das Grundgesetz den Aufbruch in eine neue Zeit nach den
grauenvollen Ereignissen zuvor, den Aufbruch der Deutschen in eine bis dahin nie
dagewesene Epoche der Freiheit, des Friedens und des Wohlstands. Dabei steht
das Grundgesetz unzweifelhaft für die erste gelungene Demokratie auf deutschem
Boden. Es steht mit seiner Präambel und den Artikeln 1 bis 19 für die
Unantastbarkeit der Menschenrechte und insgesamt für die endgültige Abkehr der
Deutschen von allen totalitären und imperialen Versuchungen. Ihm, insbesondere
seinen Vätern und Müttern, verdankt meine Generation, dass sie in eine Welt freier
Bürgerinnen und Bürger hineinwachsen durfte.
70 Jahre Grundgesetz, das bedeutet Demokratie als mittlerweile gewachsene
Selbstverständlichkeit in Deutschland. Das darf uns aber nicht zur Unachtsamkeit
verführen. Demokratie muss nicht nur tagtäglich gelebt, sondern auch tagtäglich
errungen werden. Das Grundgesetz mahnt uns, dies nie zu vergessen.
Tobias Hans - Ministerpräsident des Landes Saarland
„Der erste Satz unseres Grundgesetzes, ja die zentrale Aussage und das Fundament unserer Verfassung lautet kurz und sehr prägnant: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
Dabei ist uns allen bekannt, dass die Würde des Menschen sehr wohl immer wieder angetastet und verletzt wird: Durch Gewalttaten, Krieg und Folter, durch die Todesstrafe, Menschenhandel und die Verfolgung Andersdenkender. Auch menschenverachtende Ideologien, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und Homophobie sind Angriffe auf die Menschenwürde.
Deshalb ist es so wichtig, immer wieder an dieses höchste Rechtsgut zu erinnern und es vorbehaltlos zu garantieren. Die Würde des Menschen ist das Fundament für die Menschenrechte, die für das Leben in einer freiheitlichen Demokratie von zentraler Bedeutung ist. Die Würde des Menschen gilt es immer wieder zu schützen und zu verteidigen.“
Bürgermeister Dr. Carsten Sieling - Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen
Die Glaubensfreiheit nach Artikel 4 Grundgesetz gilt als eines derjenigen Grundrechte, das am stärksten als Ausfluss der Menschenwürdegarantie zu betrachten ist. Woher komme ich? Warum bin ich hier? Wohin gehe ich? Dies sind grundlegende Fragen der menschlichen Existenz, die den Menschen seit jeher beschäftigen und für ihn von zentraler Bedeutung sind für sein Leben. Der Glauben gibt dem gläubigen Menschen in dieser Welt Orientierung und kann sein gesamtes Leben bestimmen.
Es ist ein Akt von Klugheit und Weisheit, dass das deutsche Religionsverfassungsrecht sich in seiner Rechtstradition für das Modell einer offenen und übergreifenden religiös-weltanschaulichen Neutralität entschieden hat. Das Bundesverfassungsgericht umschreibt es wie folgt: „Der ‚ethische Standard‘ des Grundgesetzes ist … die Offenheit gegenüber dem Pluralismus weltanschaulich-religiöser Anschauungen angesichts eines Menschenbildes, das von der Würde des Menschen und der freien Entfaltung der Persönlichkeit in Selbstbestimmung und Eigenverantwortung bestimmt ist. In dieser Offenheit bewährt der freiheitliche Staat des Grundgesetzes seine religiöse und weltanschauliche Neutralität“ (1 BvR 63/68). „Die dem Staat gebotene religiös-weltanschauliche Neutralität ist … nicht als eine distanzierende im Sinne einer strikten Trennung von Staat und Kirche, sondern als eine offene und übergreifende, die Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse gleichermaßen fördernde Haltung zu verstehen“ (2 BvR 1436/02). Dieses Modell gilt es zu verteidigen. Denn es definiert Neutralität sehr logisch stringent. Ein laizistischer Staat, der Religionen aus dem öffentlichen Raum verbannen will, ist gerade nicht neutral, da er Partei ergreift zugunsten von Areligiosität und sich von Religionen distanziert. Unser Staat ist „säkular, aber nicht säkularistisch“ (Hans-Michael Heinig). Zudem genügt ein Blick nach Frankreich, um deutlich zu erkennen, dass der Laizismus keines der Integrationsprobleme hat lösen können – im Gegenteil sind sie dort sogar sehr viel größer als in Deutschland. Die Verbannung von Religionen aus dem öffentlichen Bereich befördert nur die Schaffung von Parallelgesellschaften. Zu oft wird übersehen, dass Religionen, die sichtbar sind und sich im öffentlichen Raum bewegen, dadurch auch einer gewissen gesellschaftlichen/öffentlichen Kontrolle unterliegen.
Außerdem können Religionen nach dem offenen und übergreifenden Modell als eine potentiell gesellschaftsstabilisierende Ressource genutzt werden. „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann“, stellte der Verfassungsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde zutreffend in seinem berühmten Diktum fest. Das heißt, der freiheitliche Staat ist darauf angewiesen, dass in der Bevölkerung ein die Werte des Staates tragendes Ethos herrscht. Denn wenn er all seine Ziele mit den Mitteln des Zwangs durchsetzen müsste, würde er aufhören, ein freiheitlicher Staat zu sein. Religionen können neben anderen gesellschaftlichen Gruppen einen Beitrag zur ethischen Wertebildung leisten. So ist etwa der oberste Wert unserer Verfassungsordnung, die Menschenwürde, einer, der sowohl von säkularen als auch von religiösen Begründungssträngen lebt. Christen würden mit der Gottebenbildlichkeit des Menschen argumentieren (Gen. 1, 27; Eph. 4, 24). Auch der Islam kann einen Beitrag zur Stützung und Förderung des obersten Wertes unseres Gemeinwesens leisten und sich in die Vielfalt an Begründungssträngen einreihen. So heißt es in Sure 17:70: „Nun haben Wir tatsächlich den Kindern Adams Würde verliehen … und sie weit über das meiste Unserer Schöpfung begünstigt.“ In der koranischen Schöpfungsgeschichte sollen die Engel sich vor Adam niederwerfen, nachdem Gott diesen geformt und ihm von Seinem Geist eingehaucht hat, um so zu bezeugen, dass sie die Würde des Menschen achten (Sure 38:71 ff.; vgl. 7:11 ff.; 2:34). Dieser „göttliche Funke“ in jedem Menschen begründet seine Menschenwürde – unabhängig von Glauben, Herkunft, Ethnie, Hautfarbe, Geschlecht, sexueller Orientierung usw.
Es besteht im Islam also sehr viel bisher ungenutztes konstruktives Potential an ethischer Prägekraft, das für unsere Gesellschaft fruchtbar gemacht werden kann. An den verschiedenen universitären Zentren für islamische Theologie in Deutschland erkennen wir jetzt schon erste gute Ansätze einer menschenfreundlichen Theologie, die eine wichtige Rolle dabei spielen werden, v.a. jungen Muslimen eine alternative Lesart zu menschenfeindlichen extremistischen Lesarten zu bieten und diese zurückzudrängen. Dass es solche Lehrstühle für islamische Theologie überhaupt geben kann, ist der offenen und übergreifenden Neutralität des Grundgesetzes zu verdanken, deren tragende Säule Artikel 4 Grundgesetz ist.
Ass. iur. Waqar Tariq - Berater des Bundesvorstandes des Liberal-Islamischen Bundes (LIB) und Koordinator der LIB-Gemeinde Frankfurt a.M.
Das Grundgesetz bildet die Grundlage für das wirklich gute Zusammenleben und die unglaubliche Erfolgsstory in Deutschland seither. Nur so ist das notwendige Vertrauen im und auch in das Nachkriegs-Deutschland entstanden, um letztlich auf dieser Basis in Frieden und Freiheit leben zu können.
Gerade heute wissen wir jedoch auch, dass dies leider zunehmend kein Selbstläufer mehr ist, in einer Welt, die sich leider zunehmend wieder auf Egoismus und Ausgrenzung zu besinnen scheint, obwohl gerade jetzt - unter anderem unter den zunehmend schwierigen Einflüssen des Klimawandels - und mehr als je zuvor "Alle" an einem positiven gemeinsamen Strang ziehen sollten, in Deutschland, in Europa und in der Welt.
Packen wir es alle gemeinsam positiv jetzt an. Jeder mag sich nur als kleines Rädchen fühlen - gemeinsam jedoch können wir Berge versetzen und gemeinsam sind wir stark. Reden wir darüber und packen es aber auch an. Für das Grundgesetz, für das Zusammenleben in einer großen Gemeinschaft, für ein Leben in Frieden und Freiheit, in einem lebenswerten Deutschland, in einem geeinten starken Europa und in einer friedlfertigen und rundherum gesunden Welt.
Robert Lange - Umweltpolitischer Sprecher der CDU-Stadtverordnetenfraktion im Frankfurter Römer
Der Klang von Kinderstimmen ist etwas Besonderes. Viel entscheidender aber ist das Hinhören auf das Gesagte. Damit Kinder niemals verloren gehen, gehören die Kinderrechte ins Grundgesetz.
Jerome Braun - Geschäftsführer der Stiftung Hänsel+Gretel
Frau Emanzipation konzertiert ihre zögerlichen Töchter
Alle warteten darauf, dass eine andere etwas tut, doch die verstummten
Menschen trauten sich nicht. Eine Halle voll Schweigen. Die Türen
sind weit offen!, rief eine, doch zunächst ging keine hindurch. Es summten
vor der Pforte leise Stimmen sanft von Frieden. Davon verführen,
dem Gesang ganz abgewandt, ließ sich jedoch keine. Wenn ein gerechtes
Gesetz erklingt, muss man dazu tanzen, damit man spürt, dass es echt ist;
gleich hört ihr diesen Takt, tragend und warm, ruhig und verlässlich.
Nährt den Chor! Begehrt! Begehrt auf und es erheben sich bald
Alle. Fallen wir ein mit einer neuen Linie: Vollenden wir das Lied der Menschen , fährt es auch in ihre Glieder. Besingend, dass wir eins und viele sind , Knallen die Fesseln zu Boden und ein neuer Tag erklingt.’ So ermutigt vor alte Schwellen schreitend, in weichen Klängen gebettet und doch laut, dem kalten, harten Platz entgegenströmend, geschah es: Und ihr Gesetz hallte bis zum Horizont, schrie, dass es von uns ist, für uns ist –
und für uns alle gleich.
Dr. phil. Mai-Anh Boger - Universität Bielefeld
Das Grundgesetz garantiert die Freiheit des
religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses. Das ist großartig!
Denn ohne die Neutralität bzw. Säkularität des Staates in Fragen der Religion und Weltanschauung wäre ein friedliches Miteinander langfristig nicht möglich. Auch motiviert der säkulare Staat uns gläubige Menschen dazu, nicht nach einem quantitativen, sondern einem qualitativen Religionsverständnis zu streben.
Prof. Dr. Erdal Toprakyaran - Professor für Islamische Geschichte und Gegenwartskultur am Zentrum für Islamische Theologie der Eberhard Karls Universität Tübingen
Der Grund der Entstehung des Grundgesetzes waren Unrechtserfahrungen: Dikatur, Holocaust und Kriegsverbrechen. Als „Gegenprogramm zur totalitären Missachtung des Individuums“ (H. Dreier) bahnt es den Weg zu Rechtsstaat, Demokratie und Sozialstaat, kurz: zur Herrschaft des Rechts. Der Rechtssatz, dass die Menschenwürde zu achten und durch Menschen- und Grundrechte zu schützen ist, geht von ihrer Verletzbarkeit aus. Die Würdenorm ist ein Zeichen dafür, dass kein Gott und keine Natur die Würde vor Verletzung schützen. Das Recht muss ihren Schutz garantieren. Mit dem Grundgesetz ist klargestellt: Wir wollen nicht mit uns darüber verhandeln lassen zu wollen, ob Menschen Würde haben oder nicht.
Prof. Dr. Hans Jörg Sandkühler - Deutscher Philosoph
Gedanken zum Grundgesetz
Etwa 82 Millionen Menschen leben derzeit in Deutschland. Es gibt Junge und Alte, sie leben in unterschiedlichen Regionen und haben unterschiedliche Geschlechter. Gemeinsam haben sie aber, dass für sie das Grundgesetz gilt. Für alle gleich. Und das ist auch gut und wichtig. In meinen Augen bietet das Grundgesetz jeder und jedem Einzelnen Sicherheit. Artikel 1 (1) „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ sagt mir, dass alle Menschen einen Wert haben. Dabei ist es egal welcher Religion sie angehören, wie alt sie sind, aus welchem Land sie kommen oder welches Geschlecht sie haben. Damit liefert das Grundgesetz ein starkes Bollwerk gegen Verfolgung und Willkür. Denn es schützt vor Unterdrückung und Zwang. Das wird bekräftigt durch Artikel 3 (1) „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“. Darüber hinaus ermöglicht es uns freie Entfaltung der Persönlichkeit. Gleichzeitig ist das Grundgesetz auch ein Arbeitsauftrag für den Staat stetig dafür zu sorgen, dass für niemanden, zum Beispiel aufgrund seines Geschlechts, Nachteile
entstehen.
Christoph Degen - Mitglied des Hessischen Landtags
Jeder muss in Deutschland sagen und schreiben dürfen, was er denkt. Ohne Meinungsfreiheit gibt es keine Freiheit. Ohne die von politischen Meinungen unabhängige Wissenschaft und Forschung können sich Staat und Gesellschaft nicht weiterentwickeln. Und ohne Pressefreiheit ist keine Transparenz möglich.
Ohne alle diese Freiheiten kann Demokratie nicht gelingen. Es lebe Artikel 5!
Nun ja, wenn da nicht auch noch eine Kehrseite wäre: Das Grundgesetz mit Artikel 5 schützt natürlich auch Meinungen, die von der Mehrheit abweichen. So haben radikale Äußerungen von rechts und links auch ihre Existenzberechtigung ⎼ egal ob sie angebracht oder völlig stumpfsinnig sind. Wir haben uns 1949 entschieden, in einer pluralistischen Gesellschaft leben zu wollen. Wie gut! Aber wir müssen dann auch bereit sein, so manchen Mist auszuhalten.
Meinungsfreiheit zu leben bedeutet für mich deswegen auch, eine gewisse Streitkultur zu erlernen und zu ertragen. Dazu gehören Mut, Mund aufmachen, Haltung wahren und Rückgrat zeigen ⎼ gerade gegen Menschen, denen es oft nur um pure Herabsetzung oder die Verletzung der menschlichen Würde geht. Das ist nicht immer so einfach. Und manchmal habe ich überhaupt keine Lust dazu. Ich bin zu bequem. Und mit Hohlköpfen zu streiten, ist in etwa so attraktiv wie an einem Fast-Food-Wettfressen teilzunehmen. Die Konsequenzen können Sie sich vorstellen.
Aber es hilft ja nichts. Wer die Meinungsfreiheit will, muss sie auch verteidigen ⎼ gerade gegen Leute, die sie ausnutzen. Die Meinungsfreiheit ist eben nicht selbstverständlich. Sie bleibt nicht wie zum Beispiel das Gefühl fürs Fahrradfahren oder wie späte Gäste, die partout nicht gehen wollen. Sie kann einem auch genommen werden ⎼ und manchmal ganz schnell. Deswegen müssen wir für sie einstehen, mit Worten und mit Taten. Immer wieder neu. Jede Generation. Jetzt sind wir dran!
Martin Roos - Journalist
www.martinroos-autor.de
70 Jahre Grundgesetz, das bedeutet für mich vor allem 70 Jahre Schutz der Menschenwürde.
Nie zuvor in der Verfassungsgeschichte Deutschlands wurde ihr Wert so hoch bemessen. Erst die
schrecklichen Erfahrungen aus der Zeit des Nationalsozialismus führten den Müttern und Vätern des
Grundgesetzes vor Augen, wie schützenswert das Menschsein an sich ist. „Erst der Mensch, dann der
Staat“, so lässt es sich aus Art. 1 I GG ableiten. Der Schutz der Menschenwürde ist eine Verpflichtung
aller staatlicher Gewalt und bildet die Grundlage zur Wahrung der Grundrechte unser Bürgerinnen
und Bürger. Nur so kann Demokratie funktionieren!
Heike Hofmann - Vizepräsidentin des Hessischen Landtags
„Männer und Frauen haben grundsätzlich die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.“ So sollte es heißen in der neuen Verfassung, die ob der deutschen Teilung nur ein vorläufiges Grundgesetz werden durfte. Dr. Elisabeth Seliger haben wir es zu verdanken, dass der Text nun so lautet:
"(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) MÄNNER UND FRAUEN SIND GLEICHBERECHTIGT. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden."
Damit ist die erste Voraussetzung geschaffen, dass es so wird - aber bis dahin ist noch ein langer Weg, wie nicht nur PayGap und Gewaltstatistiken verraten, sondern auch die täglichen Scharmützel digital und analog, die davon zeugen, dass die Privilegieninhaber diese mit allen Mitteln verteidigen werden entgegen dem hehren Grundsatz der Gleichberechtigung. Frei ist man jedoch nicht durch Privileg, sondern durch Gleichwertigkeit.
Prof. Dr. Sabine Schiffer - Leitung des Instituts für Medienverantwortung
Das Grundgesetz ist meine Leitkultur. Es bietet uns Bürgerinnen und Bürgern genügend Leitkultur und Leitbilder in Anlehnung an die allgemeinen Menschenrechte und Wertesysteme, an denen wir uns orientieren. Diese Werte, die aktiv vorgelebt, aber auch erlernt und verteidigt werden müssen, sind die gemeinsame Basis für das friedliche und gleichberechtigte Zusammenleben aller Menschen in Deutschland unabhängig von ihrem Glauben und ihrer Herkunft. Die im Grundgesetz festgeschriebene individuelle und kulturelle Freiheit in der demokratisch-pluralistischen Gesellschaft basiert auf der modernen, aufklärerischen, humanistischen Tradition Deutschlands und ist die Antwort auf das menschenverachtende Regime des Dritten Reiches. Meine Loyalität als Bürger dieses Landes gilt eben für diese Verfassung, die uns alle bindet. Das erwarte ich von allen, die in diesem Land leben, egal welchen Hintergrund sie haben.
Turgut Yüksel - Mitglied des Hessischen Landtags
Das Grundgesetz feiert in diesem Jahr seinen 70sten Geburtstag. Das ist für mich ein Anlass zu großer Freude. Seit nunmehr sieben Jahrzehnten leben wir im Sinne des Grundgesetzes in großer Freiheit. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland garantiert den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes insbesondere Rechtstaatlichkeit und die Möglichkeit eines friedlichen Zusammenlebens. Das gilt es tagtäglich wertzuschätzen, anzuerkennen und immer wieder aufs Neue zu verteidigen. Denn über allem steht: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
Stefan Müller - Mitglied des Hessischen Landtags
Vor 70 Jahren wurde mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland die
Basis für ein friedliches und freiheitliches Zusammenleben der Menschen in unserem
Land geschaffen. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ – dieser Satz im Art. 1
Abs. 1 GG ist aus meiner Sicht der bedeutsamste in unserer Verfassung, aus dem
sich alle übrigen Grundrechte ableiten lassen. Er schützt die Würde jedes einzelnen
Menschen, unabhängig von Geschlecht, Alter, Herkunft oder Religion, und wurde von
den Müttern und Vätern des Grundgesetzes nach den bitteren Erfahrungen mit dem
NS-Regime nicht umsonst ganz an den Anfang der deutschen Verfassung gestellt.
Gerade in der heutigen Zeit, in der auch bei uns immer häufiger das
Verfassungsmodell von Demokratie und Rechtsstaat in Zweifel gezogen wird,
appelliere ich an die Bürgerinnen und Bürger: Lassen Sie uns gemeinsam alles dafür
tun, dass das Grundgesetz als erfolgreiche Richtschnur unseres Handelns geachtet
und erfüllt wird und die Grundelemente unserer Werteordnung erhalten bleiben,
damit wir auch künftig in Frieden und Freiheit leben können!
Stephan Siegler - Stadtverordnetenvorsteher der Stadt Frankfurt am Main
Meine Gedanken zum Grundgesetz:
Das Grundgesetz ist das Fundament unseres heutigen modernen Zusammenlebens. Es entstand zu einer Zeit, in dem der Zweite Weltkrieg halb Europa verwüstet und die Nazi-Diktatur mit ihren Verbrechen eine nie dagewesene Form der Unmenschlichkeit vollbracht hatten. Als struktureller Rahmen schützt das Grundgesetz seit dem Inkrafttreten im Jahr 1949 die Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und allem voran die Würde eines jeden einzelnen Menschen. Es wurde festgeschrieben, dass es keine Unterschiede zwischen Mann und Frau, religiösen Gruppen oder demokratischen politischen Lagern geben darf. Diese Festlegung ist eine der größten politischen und gesellschaftlichen Errungenschaften der Neuzeit. Seit 70 Jahren hat das Grundgesetz dazu beigetragen, den europäischen Kontinent nach Jahren der Instabilität und des Krieges zu einem friedlichen Ort zu machen. Dieses Erfolgsrezept ist mittlerweile ein Vorbild für andere Staaten geworden und das politische System der Bundesrepublik ist fortschrittlich und modern. Besonders stolz bin ich als Frau aus dem Landkreis Kassel, dass es die Kasslerin Elisabeth Selbert war, die die Stellung der heutigen Frau in unserer Verfassung gesichert und dem Mann gleichgestellt hat.
Manuela Strube – Mitglied des Hessischen Landtags